Urogenitales Menopausensyndrom -

 

was ist das?

 

Hinreichend sind klimakterische Beschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche als Symptome der Wechseljahre bekannt. Hauptursache ist ein Östrogenmangel.

Im Gegensatz zu diesen vasomotorischen Beschwerden des Klimakteriums sind urogenitale Beschwerden wie Harn-oder auch Stuhlinkontinenz und vulvovaginale Beschwerden wie Scheidentrockenheit (vaginale Atrophie) und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) weniger bekannte Symptome.

Viele Frauen sprechen diese Beschwerden beim Arzt nicht an. Sie sind oft tabuisiert. Dabei entwickeln rund 65 Prozent der Frauen ein Jahr nach Eintreten in die Wechseljahre und rund 84 Prozent der Frauen sechs Jahre danach ein.

 

Beschwerden im Harnsystem

 

Das „urogenitales Menopausensyndrom (englisch: genitourinary syndrome of menopause=GSM)“ bezeichnet die durch Östrogenmangel und andere Sexualsteroide verursachten Beschwerden, die im ableitenden Harnsystem Entzündungen wie die Harnblasenentzündung (Zystitis) oder den Harnwegsinfekt (Urethritis) hervorrufen, aber auch Belastungs- oder Stressinkontinenz, Dranginkontinenz.

Zu den wichtigen Östrogenmangel-Symptomen im genitalen Bereich gehören die Scheidentrockenheit, Brennen, Juckreiz, Einblutungen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie). Insgesamt geht man davon aus, dass weit mehr als die Hälfte der Frauen im Laufe ihres Lebens mit diesen Erkrankungen konfrontiert sind. Und auch jüngere Patientinnen und sogar Sportlerinnen können davon betroffen sein.

 

Die einzelnen GSM-Symptome im weiblichen Genitalbereich

  1. Scheidentrockenheit (100 %)
  2. Dyspareunie (78 %)
  3. Brennen (57 %)
  4. Juckreiz (57 %)
  5. Dysurie (36 %), schmerzhafte Blasenentleerung

 

Vulvovaginale Veränderungen in den Wechseljahren

 

Sowohl Vagina und Vulva (großen und kleinen Schamlippen, Klitoris) als auch die Harnröhre und Blase weisen bei der jüngeren Frau eine hohe Dichte an Östrogenrezeptoren auf.

Unter zunehmendem Östrogenmangel in den Wechseljahren verdünnt sich die Scheidenwand erheblich bis auf wenige Zelllagen (vaginale Atrophie). Das Gewebe verliert zudem die Fähigkeit, Wasser zu speichern. Beim Geschlechtsverkehr wird immer weniger Flüssigkeit abgesondert. Schmerzen treten auf. Die rosigen faltigen Vaginalschleimhäute werden mit der Postmenopause blass, glatt und zeigen kleine Entzündungszeichen (Petechien). Auch die Fettdepots der großen Schamlippen (Labien) werden allmählich abgebaut, der Bindegewebsanteil nimmt ab, womit eine fühlbare Volumenverringerung der Schamlippen einhergeht. Die Schamlippen werden kleiner. Sie schrumpfen bzw. atrophieren.

 

Vaginale Atrophie

 

Scheidentrockenheit ist ein typisches Leitsymptom der Postmenopause, das mit den Jahren nicht aufhört, wie etwa die Hitzewallungen, sondern zunimmt. Nahezu 100% der Frauen sind betroffen.

Nicht alle haben Beschwerden, aber die Frauen, die bis ins hohe Alter sexuell aktiv sind, leiden zunehmend unter Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie). Eine Folge des niedrigen Östrogenspiegels sind gravierende Veränderungen der Scheidenflora. Die Scheidenhaut wird immer dünner, fast pergamentartig dünn, und kann kein Glykogen (Zucker) mehr herstellen, das die Nahrungsgrundlage für die Döderlein Stäbchen (=Milchsäurebakterien ) darstellt.

Die Folge ist, dass nicht mehr genug Milchsäure produziert wird, um den pH-Wert stabil im sauren Milieu zu halten. Bakterien und andere Scheiden-untypische Keime können eindringen und sich vermehren. Von dort aus können diese auch in die Blase aufsteigen und Infektionen der Vagina, Harnröhre sowie der Harnblase verursachen.

 

Symptome der vaginalen Atrophie:

  • Brennen
  • Juckreiz
  • Dyspareunie
  • Ausfluss
  • Scheidenentzündung (atrophische Kolpitis)


Vulvovaginale Veränderungen bei Pillen Anwenderinnen (orale Kontrazeptiva)

 

In Deutschland sind orale Kontrazeptiva die am meisten verbreitete Verhütungsmethode. Dabei werden vor allem niedrig dosierte, kombinierte Östrogen-Gestagen-Präparate angewendet.

Unter der Einnahme dieser oralen Kontrazeptiva können lokale Hormonmangelerscheinungen im Bereich des ableitenden Harnsystems (Urogenitalbereich)auftreten. Die wesentliche Ursache dafür liegt in der Unterdrückung der körpereigenen Östrogenproduktion.

Die verabreichte geringe Dosis an Östrogen in der Pille (Ethinylestradiol) führt mitunter zu einer unzureichenden Östrogenisierung im Beckenbodenbereich, so dass die regenerativen Prozesse im ableitenden Harnsystem (Urogenitaltrakt) nicht aufrechterhalten werden.

 

Scheidenpilzinfektionen führen zu Scheidenhautverdünnung

 

Zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) kommt es oft auch nach einer Scheidenpilzinfektion.

Pilzinfektionen gehen mit einer verstärkten Abschilferung von Zellen einher, wodurch die Scheidenhaut deutlich dünner wird. Die lokale Östrogenwirkung der Pille kann zu schwach sein, um das relativ dünne Scheidenschleimhaut (Vaginalepithel) nach einer Pilzinfektion wieder ausreichend aufzubauen.

Die Scheidenhaut bleibt dünn, und es kann zu Beschwerden wie Brennen und blutigen Einrissen am Scheideneingang bei Geschlechtsverkehr sowie rezidivierenden Pilzinfektionen kommen. Für die Behandlung der vaginalen Trockenheit und Atrophie, die durch die Einnahme oraler Kontrazeptiva bedingt ist, wird die vaginale Anwendung von schleimhautöstrogenhaltiger (Estriol) Präparate empfohlen. Auch die Anwendung östrogenfreier Präparate kann in Betracht gezogen werden.

 

 

Erhöhte Gefahr von Harninkontinenz und Harnwegsinfektionen in den Wechseljahren

 

Auch die unteren Harnwege sind mit zunehmendem Lebensalter häufig vom Östrogenmangel betroffen. Eine Rückbildung der Schleimhaut von Harnröhre und Blasenhals kann auch hier eine Entzündung der Harnblase , und /oder einer Entzündung der Harnröhre hervorrufen (Urethritis/Urethrozystitis). Diese wiederum erleichtert das Auftreten einer Harninkontinenz und rezidivierender Harnwegsinfektionen.

 

Symptome der urogenitalen Atrophie:

  • Belastungs-und Dranginkontinenz
  • Rezidivierende Harnwegsinfektionen
  • Dysurie (Brennen beim Wasser lassen)

Diagnostik des urogenitalen Menopausensyndroms

 

Die Diagnose eines urogenitalen Menopausensydroms wird über die Anamnese und klinische Untersuchung gestellt.

In der Regel ist die gynäkologische Untersuchung beim urogenitalen Menopausensyndrom schmerzhaft, weil die Vaginalhaut dünn, trocken und weniger elastisch ist. Auch der Scheideneingang kann enger werden.

Erschwerend kommt hinzu, daß die Gefäßversorgung des Gewebes und die Feuchtigkeit abnimmt. Dabei ist festzuhalten, daß die Durchfeuchtung anlagebedingt bei jeder Frau anders ausfällt. Besonders betroffen sind demzufolge Frauen, die schon in jungen Jahren wenig Flüssigkeit beim Geschlechtsverkehr gebildet haben.

Der erhöhte pH-wert, die Abnahme der Lactobazillen und die Verminderung der Epitheldicke können die Diagnose erhärten. Differentialdiagnostisch müssen immer auch andere chronisch entzündliche Erkrankungen wie der Lichen sclerosus, Pilz-oder bakterielle Infektionen und auch Tumore ausgeschlossen werden.

 

 

Welche Krankheitsbilder gibt es im Bereich der Inkontinenz?

 

Belastungs- oder Stressinkontinenz

 

Die häufigste Form der Inkontinenz bei Frauen ist die Belastungs-oder Stressinkontinenz.

Typisch ist der unfreiwillige spontane Harnabgang bei körperlicher Belastung (z.B. Husten, Niesen). Ursache sind die abnehmende Flexibilität des Blasengewebes und altersabhängige Veränderungen des Beckenbodens wie:

Verringerung der Muskelmasse um 30-50 Prozent, Abnahme der Muskelqualität durch Infiltration von Fett und Bindegewebe, Abfall der Östrogene, die Aufbau und Funktion der Muskulatur regulieren, sowie Bindegewebe und Beckenbodenorgane.

Dazu können Übergewicht, Schwangerschaft und Geburt, schwere körperliche Arbeit, bestimmte Medikamente (Steroide), Diabetes mellitus, chronische Obstipation oder eine chronische Bronchitis den Beckenboden und Bandhalteapparat zusätzlich extrem belasten und die Inkontinenz verstärken.

 

Dranginkontinenz

 

Bei der Dranginkontinenz haben die Betroffenen einen plötzlichen starken Drang Wasser zu lassen, der nicht mehr kontrolliert werden kann.

Dies hat ebenfalls unwillkürlichen Urinverlust zur Folge. Hauptursache der Dranginkontinenz ist der Östrogenmangel, da der untere Teil der Harnröhre stark östrogenabhängig ist. Dazu kommen: Harnwegsinfekte, Steine im Bereich der Harnwege, Gebärmuttersenkung, Stress, neurologische oder psychische Erkrankungen.

 

 

Therapie vulvovaginaler Beschwerden

 

Die Therapie leichter Symptome wird mit nichthormonellen Maßnahmen begonnen. Bei mittleren bis schweren Symptomen kommt eine lokale bzw. systemische HRT zum Einsatz.

  1. Nichthormonelle Maßnahmen:
    Vaginale Gleitmittel, Feuchthaltemittel (Moisturizer) und Feuchtigkeitscremes.
  2. Hormonelle Präparate. Lokale Östrogene
    • vor allem das bio-identische Estriol (E3), das in Form von Cremes, Zäpfchen und Tabletten verabreicht wird
    • das bio-identische Dehydroepiandrostendion (DHEA).
    • Auch das systemisch wirkenden Östrogen (E2) findet Anwendung in Form von Cremes, Ring und Pessar.

Nichtmedikamentöse Therapieformen: Beckenbodengymnastik, Psychotherapie (kognitive Verhaltenstherapie) und Lasertherapie

 

 

Therapie urogenitaler Beschwerden


Zusätzlich zu den oben genannten Therapien, gehören die konservativen Inkontinenz-Maßnahmen wie:

  1. Gewichtsreduktion
  2. Blasentraining
  3. Reduktion der Flüssigkeitsaufnahme, incl. Vermeiden von Alkohol, Kaffee und kohlensäurehaltiger Getränke
  4. Inkontinenzvorlagen
  5. Inkontinenz-und Würfeltampons
  6. Analtampons
  7. Silikonpessare

Eine deutliche Verbesserung der Beschwerden kann hier durch eine kombinierte Therapie mit vaginalen Östrogenen und Beckenbodengymnastik erzielt werden.

 

 

Hormonersatztherapie bei schwereren Symptomen und klimakterischen Beschwerden

 

Grundsätzlich wird die Therapie leichter Symptome mit nichthormonellen Maßnahmen begonnen.

Der Einsatz einer lokalen und/oder systemischen Hormonersatztherapie (HRT) richtet sich nach der Schwere der Symptome. Bei klimakterischen Beschwerden wie Hitzewallungen ist eine systemische HRT angezeigt. Diese kann beim urogenitalem Menopausensyndrom effektiv durch die lokale HRT ergänzt werden.

 

Der Vorteil der lokalen Anwendung ist: Niedrige Dosierung, kurze Halbwertszeit von Schleimhautöstrogen (Estriol), kaum systemischer Effekt, kein Aufbau der Gebärmutterschleimhaut.

 

Prinzipiell ist darauf hinzuweisen, daß die vaginale Atrophie erfolgreich und dauerhaft mit lokalen Schleimhautöstrogenen behandelt werden kann. Die vaginale Atrophie endet, sobald ausreichend Schleimhautöstrogen lokal dauerhaft angewendet wird. Diese Therapie kann jederzeit begonnen und bis ins hohe Alter fortgesetzt werden.

 

 

Hier finden Sie einen Überblick über die häufigsten Wechseljahresbeschwerden und Tipps für den Umgang damit.